Für eine genaue Beurteilung des vorliegenden FFG-Referentenentwurfs fehlt uns als Arthouse-Verleihunternehmen noch essenziell die Säule der ergänzenden BKM-Förderung, zu der es noch keine Details gibt.
Wir begrüßen im neuen Referentenentwurf die bessere Ausstattung und vereinfachte Mechanismen für die Produktion und Stoffentwicklung. Wir brauchen gute Stoffe fürs Kino. Wir begrüßen die Automatismen und Vereinfachungen in der Verleihförderung. Wir begrüßen das stärkere Bekenntnis zur Filmbildung und Diversität. Wir begrüßen die Kappung der Obergrenzen und das Öffnen für mehr Marktteilnehmende für eine größere kulturelle Vielfalt durch Herabsetzen der Schwellen. Wir begrüßen, den längst überfälligen Sitz für die AG Verleih im Verwaltungsrat.
Es braucht mehr Gewicht für die Auswertung
Das stets formulierte Ziel der Reform, die Auswertung wirksam, zukunftsfähig, auch steuerbasiert zu stärken, sehen wir im vorliegenden Entwurf noch nicht berücksichtigt. Wir fordern nachdrücklich, im Sinne des von Kulturstaatsministerin Claudia Roth formulierten Bekenntnisses zum Kino und Kinofilm, einen ganzheitlichen Blick auf die Branche, der neben der Produktion auch Verleih, Kino und Weltvertrieb berücksichtigt. Die letzten Monate zeigen deutlich die Zugkraft des Kinos als wirtschaftliche Treiber und als Qualitätssiegel für den Gesamtmarkt.
Kinofilme sind teuer und müssen für ein Publikum gemacht sein. Genauso wie es unser Anspruch sein muss, bessere Filme zu machen, muss dieser Anspruch auch sein, diese Filme besser zum Publikum zu tragen. Gerade kulturell und gesellschaftlich wichtige Filme brauchen kleinteilige und aufwändige Kampagnen, um gesehen zu werden und eine „marktgerechte Auswertung“ (§2, Abs. 5) zu bekommen! Dies ist umso entscheidender, da Arthouse-Herausbringungen vorrangig von kleinen und mittelständischen Unternehmen in Konkurrenz zu den Kampagnen globaler Konzerne durchgeführt werden. Wir brauchen dringend einen höheren Zuschauermarktanteil für deutsches Arthouse.
Verleiharbeit ist entscheidend für die Sichtbarkeit und den Publikumserfolg von Filmen
Verleiharbeit ist elementar für den Zuschauererfolg. Verleih unterstützt bereits in der Produktion, finanziert z.T. auch Filme mit, berät in Hinblick auf Markt und Publikum, entwirft Zielgruppen, konzipiert die gesamte Verpackung und Wordings, trägt den Film in allen denkbaren Facetten in kleinteiliger Arbeit bis ans Publikum, stattet die Kinos mit Materialien aus, bucht die Filme – auch finanziell – in die Kinos, sucht Partnerschaften auf Bundes- und Lokalebene, verschafft den Filmen durch PR-Arbeit Aufmerksamkeit, konzipiert begleitende Onlinekampagnen, organisiert und finanziert diverse Events, Premieren und Kinotouren und ermöglicht Austausch zwischen Filmschaffenden und Publikum, Schulveranstaltungen, erstellt pädagogisches Begleitmaterial, gibt Filme für nicht-gewerbliche Vorführungen frei u.v.m.
Sichern die vorliegenden Filmfördermodelle mehr Kinobesucher*innen?
Die vorliegenden Pläne werden in dieser Form noch NICHT zum erklärten Ziel „mehr Kinobesucher*innen und Sichtbarkeit für den deutschen Kinofilm“ führen, weil:
- Investitionsverpflichtung: Die angedachte Investitionsverpflichtung berücksichtigt die Kinoauswertung überhaupt nicht, sondern ist eine reine Abgabe an die Produktion (wir begrüßen allerdings, dass alle Marktteilnehmer*innen einen Beitrag leisten sollen).
- Steueranreizmodell: Das Steueranreizmodell ist finanziell wesentlich schlagkräftiger als die Mittel der FFA, bedenkt aber entgegen dem Vorschlag im „8er-Papier“ aus der gesamten Branche nur den Bereich Produktion
- Verleih und Kinos müssen hier mitberücksichtigt werden, will man die so geförderten Kinofilme auch an ein Publikum bringen und das Gleichgewicht für eine notwendigerweise gut ausgestattete Auswertung sichern
- Deutsche Filme herauszubringen, muss für Filmverleiher attraktiv bleiben. Wir laufen Gefahr, dass deutsche Stoffe keinen Filmverleih in Deutschland finden.
- Jeder Kinofilm braucht, um ein großes Publikum zu erreichen, ein hohes finanzielles Investment in die Herausbringung. Dieses Investment ist immer mit einem hohen Risiko für den Verleih verbunden. Will man ein Bekenntnis zum Kino – nicht zuletzt als wichtigen Ort unseres gesellschaftlichen Miteinanders sowie auch als Gütesiegel für Filme – muss dieses Risiko ermöglicht und belohnt werden und der Verleih im Steueranreizmodell mitberücksichtigt werden
- FFG-Referentenentwurf: Der prozentuale Anteil von Verleihförderung der FFA wurde zwar von 21,5 auf 25 Prozent leicht erhöht, in realen Zahlen werden dem Verleih aber weniger Mittel zur Verfügung stehen
- Der Zuschuss in der Verleihreferenzförderung ändert für uns nichts, da diese Mittel im bisherigen System im Erfolgsfall 1:1 an den Produzenten weitergegeben werden, also wieder nur eine indirekte Produktionsförderung wären.
- Medialeistungen der Sender (bisher eine 100%-ige Verleihförderung) werden umgemünzt in eine rein finanzielle Leistung, die dann wiederum prozentual unter den Akteur*innen aufgeteilt wird.
- Die Center-Abgabe der Kinos darf nicht zu einer erhöhten Gesamtabgabe führen, da dies sonst zusätzliche Kosten für Verleih und Kinos zur Folge hätte
- Der Gesamttopf der FFA wird aufgrund fehlender Tilgung kleiner sein. Zusätzlich: Zu wenig Gewicht auf der Auswertung führt zu weniger verkauften Kinotickets, was wiederum eine weitere Verkleinerung des Fördertopfes nach sich zieht.
- Das Zusammenlegen der bisherigen kommerzielleren FFA-Förderung mit der kulturelleren BKM-Förderung stützt in dieser Form nicht den kulturellen Film und seine Sichtbarkeit. Es stehen insgesamt weniger Mittel zur Verfügung und der kulturelle Film hat keinen ausreichend geschützten Raum – das Ziel, mehr Gewicht auf die Vermarktung kulturell wichtiger Film zu legen, ist nicht geglückt.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass das erklärte Ziel, Verleih besser auszustatten, mit dieser Maßnahme nicht gelingt. Eher im Gegenteil: es steht dadurch weniger Geld für Verleih in der FFA-Förderung zur Verfügung.
Offene Bedürfnisse Verleihförderung innerhalb der drei vorliegenden Bausteine
Unter Berücksichtigung aller Reformüberlegungen inkl. Investionsverpflichtung und / oder Steueranreizmodell fordern wir:
- den Verbleib der Verleihreferenzmittel beim Verleih ohne Weitergabe an die Produktion im Erfolgsfall um Verleiharbeit nachhaltig zu stärken
- eine andere Gewichtung der FFA-Förderungen mit min. 35% Anteil für Verleihförderung (§135), um dem Bedarf für Verleih und einer besseren Ausstattung gerecht zu werden.
- Eine Berücksichtigung von Verleih im Steueranreizmodell, da es nur logisch wäre, dass mit Steuermitteln finanzierte Kinofilme auch in der Auswertung unterstützt werden
- Zusätzlich brauchen wir als unabhängige Filmverleiher eine ergänzende kulturelle Förderung für besonderes Arthouse-Kino, das eine wichtige Rolle für uns als Gesellschaft und Demokratie spielt.
Anforderung an die „vierte Säule“ – kulturelle Verleihförderung durch die BKM:
Will man den kulturellen Kinofilm strukturell stärken, braucht es eine ergänzende kulturelle Absatzförderung im spürbaren Maß seitens BKM ergänzend zur Referenzförderung durch die FFA. Herausbringungsstrategien und Kulturmarketing werden immer elementarer im Wettbewerb um Aufmerksamkeit beim Publikum. Zudem erfüllt der kulturelle Film auch eine wichtige gesellschaftliche und demokratische Aufgabe.
Zentral ist hier die Frage nach der Größe des Gesamttopfs der kulturellen Kinofilmförderung durch BKM-Mittel und dessen Verteilung.
Wir können daher nur eine Empfehlung abgeben, was es aus unserer Sicht bräuchte, um den Absatz kultureller Kinofilme spürbar zu erhöhen: Wir empfehlen die Verleihförderung mit min. 2,5 Millionen Euro auszustatten. Das ermöglicht z.B. (in einem von vielen möglichen Modellen) eine Förderung von 12 höher budgetierten Arthouse-Herausbringungen von je 100.000€ Förderung, 12 geringer budgetierten Arthouse-Herausbringungen von je 50.000€ und 12 Herausbringungen von z.B. Dokumentarfilmen, Kinderfilmen oder weiterer Formen.
Die Herausbringung von Kinofilmen braucht das Zusammenspiel aller Akteure. Wir begrüßen daher eine kulturelle Programmförderung für die Kinos, die unsere wichtigsten Partner sind in der Ansprache des Publikums. Wir brauchen motivierte und engagierte lokale Akteure. Wichtig wäre, dass hier vor allem Anstrengungen belohnt werden für den Einsatz für Arthousefilme, die wirklich auch kinoseitig mehr Aufwand machen, weil sie nicht durch globale Player mit viel Geld in den Markt gepresst werden. Wir fordern ausdrücklich in der Quotierung nur deutsche und europäische Kinofilme nach Arthouse-Kriterien zu berücksichtigen.
Zur vollständigen Stellungnahme geht es hier: